Produktentwicklungsprozess, Produktlebenszyklus und neue Unternehmensstrategien
Der Produktentwicklungsprozess umfasst die zur Entwicklung eines neuen Produkts oder zur Verbesserung einer produzierenden Marke erforderlichen Schritte. Solche Schritte sind:
- Generierung, Verifizierung und Auswahl neuer Ideen (Brainstorming)
- Markt-, Geschäfts- und Kostenanalyse sowie Wirtschaftlichkeitsprüfung
- Festlegung und Verifizierung der Produkt- und Qualitätsanforderungen
- Konzeption (Produkteigenschaften, Produktionslösungen, Technologien)
- Dokumentation der Produktparameter, Funktionen und Eigenschaften
- Festlegung und Verifizierung der zur Produktion erforderlichen Technologie
- Modellierung und Verifizierung der Anforderungen (Prototyp)
- Design, Produktentwicklung und Testen (Prototyp)
- Fehlerbehebung, Verbesserungen und Optimierung
- Abstimmung mit dem Management und der Produktion über die Übergabe in die Serie (Entscheidung)
Die Schritte Design, Entwicklung und Test gelten im Produktentwicklungsprozess als die drei wichtigsten Phasen des Produktlebenszyklus. Je nach Geschäftsmodell und Produktart gehören auch weitere Phasen zum Lebenszyklus wie beispielsweise Analyse der Kundenerfahrungen und -anforderungen, Entwicklung einer Marketingstrategie oder Anpassung und Modernisierung der Produktionstechnologie für eine neue Produktmarke. Bei innovativen technologieintensiven Produkten, wie z.B. in der Automobilindustrie, ist die Entwicklung eng mit der Forschung verknüpft und läuft im Rahmen eines einheitlichen Prozesses "Forschung und Entwicklung" (F&E).
Strategie zur Entwicklung eines neuen Produkts
Die erste Phase der Entwicklung eines neuen Produkts besteht in der Erarbeitung einer Strategie. Obwohl Produkte unterschiedlicher Hersteller ähnliche Charakteristiken und Funktionen aufweisen können, wird der Produktentwicklungsprozess jedoch unterschiedlich gestaltet. Jedes Unternehmen hat eine eigene Strategie für die Entwicklung neuer Produkte sowie eigene Ressourcen. Die Strategie ermöglicht es einem Unternehmen, den Produktentwicklungsprozess und die Produktionsprozesse entsprechend den eigenen Ressourcen und Zielen optimal zu organisieren, zu steuern und zu kontrollieren.
In dieser Phase werden strategische Ziele festgelegt, die das neue Produkt erfüllen muss, um beispielsweise Marktanteile zu gewinnen oder eine führende Marktposition auf dem Gebiet der Technologie einzunehmen und zu behaupten. Andererseits kann eine Produktentwicklungsstrategie darauf ausgelegt sein, den Produktentwicklungsprozess mit den Prozessen der Produktion und des Betriebs im Produktlebenszyklus zu verknüpfen und in allen Etappen der Produktionskette zu harmonisieren, zu standardisieren und zu automatisieren. Dafür kommen spezielle Softwareprodukte zum Einsatz, mit deren Hilfe alle technologischen Prozesse und Informationsflüsse als Teilsysteme des gesamten unternehmensweiten Product Lifecycle Management (PLM) Systems integriert sind. Da der Erfolg des neuen Produkts in der Entwicklungsphase aufgebaut wird, gilt der Produktentwicklungsprozess als eine der wichtigsten Komponenten und Aufgaben der PLM Software.
Insbesondere Unternehmen, die nach technologischem Fortschritt, Marktführerschaft und Innovation streben, brauchen nachhaltige und erfolgreich umgesetzte Strategien sowie intelligente Softwarelösungen für die Herstellung neuer Produkte und für das Product Lifecycle Management (PLM). Die Innovation eines Unternehmens besteht nicht nur in der Entwicklung und Herstellung von neuen interessanten Produkten, sondern vielmehr in der Organisation, Weiterentwicklung der Technologie und dem Product Lifecycle Management zur nachhaltigen Produktion solcher innovativen Produkte. Das Augenmerk des PLM wird nicht nur auf die Marktsituation und konkrete Produkte gerichtet, sondern auch auf den Produktentwicklungsprozess, die PLM-Prozesse und eine effektive Strategie.
Eine erfolgreiche Strategie übernimmt und nutzt die bewerteten Ideen, Konzepte und Methoden von Systems Engineering, Extreme Programming, agiler Produktentwicklung, DevOps, IT, XaaS, künstlicher Intelligenz (KI) und Industrie 4.0. Bei Umsetzung der neuen Unternehmensstrategie spielen Motivation, IT-Affinität und Akzeptanz der Mitarbeiter eine besondere Rolle.
Agile vs. klassische Produktentwicklung
Eine agile Produktentwicklungsmethode zeichnet sich durch ausgeprägte organisatorische Flexibilität, dynamische Organisationsstrukturen und Bildung virtueller Projektteams bei gleichzeitiger erhöhter Verantwortung jedes einzelnen Mitarbeiters für das Endergebnis und den Unternehmenserfolg. Im Unterschied zu klassischem Produktentwicklungsprozess mit hierarchischen starren Strukturen, festen Aufgaben und vorgeschriebenen Abläufen, zielt der agile Ansatz darauf ab, die Bürokratie im Produktentwicklungsprozess sowie in anderen PLM-Prozessen abzubauen, informelle Beziehungen und effiziente Zusammenarbeit zu fördern und zielorientiert zu handeln. Die Initiative, Professionalität und Verantwortung jedes einzelnen Mitarbeiters sind die drei wichtigsten Säulen des Unternehmenserfolgs und haben in der Agilität Vorrang. Während Prozesse einer klassischen Produktentwicklung vorwiegend statisch ausgelegt sind und alle Aktivitäten und Handlungen vordefiniert sind, sind Prozessdynamik, Flexibilität, Initiative und geprägte Ziel- und Kundenorientierung die Stärken von agilen Entwicklungsmethoden.
Agile Entwicklungsmethoden umfassen eine große Anzahl von Iterationsschritten, die systematisch verifiziert werden und zur Erhöhung der Produktivität, Produktqualität und Kundenzufriedenheit dienen. Ein neues erfolgreiches Produkt, das den Kundenerwartungen und Qualitätsanforderungen entspricht, ist ein wichtiger Maßstab für den Fortschritt. Was zählt, sind nicht die Tools, Lösungen, Leistungen und Ruhm, sondern die optimalen Prozesse und die Tatsache, dass alle geplanten Funktionen, Anforderungen und Eigenschaften im entwickelten Produkt erfolgreich realisiert sind und das Produkt erfolgreich vermarktet wird und wie erwartet funktioniert.
Der agile Ansatz hat sich zu einem grundlegenden Konzept der Softwareentwicklung etabliert. Da die besten Methoden der Softwareentwicklung wie SE (Systems Engineering), DevOps, Virtualisierung, softwarebasierte Modellierung und Tests größtenteils auf Entwicklung von Produkten mit physischen Eigenschaften übertragbar sind, wird agile Produktentwicklung zielgerecht auch bei Entwicklung und Produktion materieller Güter eingesetzt.
Der Product Life Cycle
Im Lebenszyklus eines Produkts entscheidet die Produktentwicklung über den Erfolg der nachfolgenden Phasen. Ein ganzheitliches Lebenszyklusdenken ist sowohl für Designer und Entwickler als auch für Unternehmensmanagement erforderlich. Mit permanenter Intensivierung und ad-hoc Prozessverbesserungen gelangt man nicht zum erwarteten Ergebnis. Nur eine PLM-orientierte Strategie, agile Produktentwicklung und Einsatz neuer Technologien im ganzen Produktlebenszyklus - von der Produktentwicklung über die Produktion bis zur Vermarktung und dem Betrieb - kann nachhaltigen Erfolg gewährleisten.
Eine Anbindung der bewerten Methoden des SE, der KI, der Einsatz neuer PLM Software und Technologien, sowie der Umstieg auf neue flexible Geschäftsmodelle und Arbeitsabläufe gehören zur neuen Strategie. Die Zuständigkeiten und Verantwortung der Entwickler sollten nicht nur auf die Produktkonzepte und Entwicklungsprozesse ausgerichtet sein, sondern auch auf die nachfolgenden Lebenszyklusphasen. Dafür ist es notwendig, die Geschäftsmodelle, Arbeits- und Denkweisen anzupassen und zu ändern.
Die Strategie einer PLM-orientierten smarten Produktentwicklung umfasst smarte technische Produkte, die sich intelligent an verschiedene Gegebenheiten anpassen können, sowie der Einsatz von konfigurierbaren und flexiblen Entwicklungs- und Produktionssystemen. In Perspektive geht man davon aus, dass Produkte mit individuellen Konstruktionsparametern schnell entwickelt und produziert werden können. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um das Monopol der herrschenden Serienfertigung durch die Industrie 4.0 abzulösen. Kleinserienfertigung, Energie- und Zeiteinsparungen, Vermeidung von autonomen Fehlentscheidungen und Harmonisierung aller Unternehmensprozesse in einem Gesamtsystem sind das Ziel.
Die internationalen Standards ISO/IEC 15288 (Life Cycle Management - System Life Cycle Processes) und ISO/IEC 24748-2:2018-2 (Teil 2: Richtlinien zur Anwendung von ISO/IEC 15288) definieren die Richtlinien und Prozesse eines auf dem V-Modell basierten Ansatzes. Vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) wurden die allgemeingültigen branchenunabhängigen Grundlagen zum methodischen Entwickeln und Konstruieren technischer Systeme und Produkte veröffentlicht.
Flexibilität von PLM Software
Der Arbeitsplatz eines Ingenieurs zeichnet sich durch Wissensintegration und -kommunikation in allen Phasen und Prozessen des Produktlebenszyklus aus. Mit einer PLM Software funktioniert der Produktentwicklungsprozess intelligent, multi-disziplinär und ist anpassungsfähig. Die Zusammenarbeit und Verwaltung von standardisierten Produktdaten erfolgen phasen- und abteilungsübergreifend. Die Zusammenarbeit wird durch geeignete Tools, Methoden, Wissensmanagement, Organisation und hohe soziale Kompetenz gefördert. In der Produktentwicklung sind mehrere Disziplinen zusammengeführt: Maschinenbau, Mechatronik, Informatik und Systems Engineering.
Die Effektivität und Produktivität beim Einsatz einer PLM Software hängt vom PLM Anbieter, seiner Erfahrungen, Know-how und Kompetenzen ab. Die führenden PLM Anbieter entwickeln Softwareprodukte und -lösungen, die hinsichtlich ihrer Funktionalität, Anpassbarkeit, technischer Kriterien und dem Dienstleistungsangebot umfassend und ausgereift sind. Die Software muss alle Unternehmensbereiche, alle Etappen der Produktionskette, den Produktentwicklungsprozess und alle anderen PLM-Prozesse umfassen und automatisieren. Die Software funktioniert als ein komplexes verteiltes System und unterstützt intelligent bei Datenübertragung, Verarbeitung und Speicherung. Zur Entwicklung nachhaltiger Produkte werden die verwendeten Methoden dokumentiert und analysiert. Es werden Schwachstellen in alten Entwicklungs- / Produktionsprozessen identifiziert, die mit neuen Product Lifecycle Management Prozessen behoben werden müssen. Die Mitarbeiter sollen mit dem PLM System vertraut sein. Dafür sind interne Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen (Training on the Job) erforderlich.
Diverse PLM Anbieter entwickeln Softwarelösungen, die für unterschiedliche Branchen konzipiert sind, in unterschiedlichen Produktionstypen und Betriebsgrößen zum Einsatz kommen und daher schwer miteinander zu vergleichen sind. Das liegt oft nicht an der Qualität einer Software, sondern an der Spezifik der Entwicklung und Produktion in der jeweiligen Branche. Die Auswahl einer passenden Software gestaltet sich wegen der Komplexität der IT-Prozesse und Architektur als eine unübersichtliche Aufgabe. Dabei stehen PLM Anbieter beratend zur Seite und helfen bei der Auswahl, Installation und Konfiguration der erforderlichen PLM-Komponenten. Es ist von Vorteil, wenn der PLM Anbieter Kundenreferenzen über die Verwendung des jeweiligen PLM Softwareprodukts in derselben Branche vorweisen kann.
Passgenaue Unterstützung mittels PLM Software
Nachhaltige zukunftsorientierte Produktion erfordert neue Unternehmensstrategien, neue Unternehmenskultur und neue Verantwortung. Eine Industrialisierung der Produktentwicklung und Einsatz einer PLM Software sowie neuer Technologien führen zum Paradigmawechsel. Traditionelle V-Modelle werden durch geschlossene Zyklen ersetzt. Menschen - als Mitarbeiter eines Unternehmens sowie als Kunden und Endverbraucher - stehen im Mittelpunkt von neuen Entwicklungstechnologien. Daraus ergibt sich eine Veränderung des Produktentwicklungsprozesses. Vertiefte IT-Kenntnisse und erweiterte Qualifikationen im Umgang mit PLM Software und Modellierungssoftware sind erforderlich.
Nicht nur Ingenieure sollten ihre Arbeitsweise nach der PLM Software richten, sondern auch die Funktionsweise der PLM Software sollte sich ergonomisch und funktionell an die Entwickler und Designer sowie an die Spezifik des jeweiligen neuen Produkts anpassen. Die Entwickler sollen sich aber nicht durch zusätzliche vom Product Lifecycle Management System gelieferte Informationen überfordert fühlen. Damit die PLM Software bei der Produktentwicklung effektiv hilft, muss sie flexibel, konfigurierbar und skalierbar sein, intelligent funktionieren, alle Phasen und Prozesse des PLM abdecken und diese automatisieren.
Produktentwickler und Designer fungieren im Product Lifecycle Management als Experten zur Steuerung des Entwicklungsprozesses und können ihre Aufgaben mit Hilfe einer PLM Software besser und schneller bewältigen. Die Produktqualität wird dadurch erhöht und mögliche Fehler, die sich erst in späteren Phasen auswirken, werden frühzeitig identifiziert und eliminiert. Für eine nachhaltige Produktion sind nicht nur neue Technologien entscheidend, sondern auch neue Werte, Vorgehensweisen, Konzepte und Strategien, die konsequent umgesetzt werden.
Quellen:
Axel Schröder, "Agile Produktentwicklung: Schneller zur Innovation - erfolgreicher am Markt", ISBN 9783446458130 (2018)
VDI-Gesellschaft Produkt- und Prozessgestaltung, Handbuch "Produktentwicklung und Konstruktion", www.vdi.de